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Zugleich soll diese Webseite auch eine Hilfe für die bei uns lebenden Flüchtlinge sein. So wollen wir sie über das Leben in Brakel informieren.
 

"Es ist 5 vor 1933!"

Hans-Georg Harrer (hgharrer) on 07.03.2024

, zuletzt modifiziert von Administrator am 11.03.2024 um 17:34

Pfarrer Volker Walle warnt in seiner Bad Driburger Ansprache zum Auschwitz-Gedenktag vor einer Wiederholung der NS-Herrschaft. Hier ist die bemerkenswerte Ansprache, die von vielen Seiten her Zuspruch bekommen hat.

Vorlesen:

Ansprache „5 vor 1933“ am 27. Januar 2024 Bad Driburg

  19 Jahre ist es nun her, dass der Internationale Tag des Gedenkens an die Opfer des Holocaust durch die Vereinten Nationen eingeführt wurde. Er wird seitdem jedes Jahr am 27. Januar begangen, dem Tag, an dem 1945 das Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz befreit wurde. Das Wachhalten der Erinnerung an die unvorstellbaren Verbrechen der Nazi-Diktatur in Deutschland von 1933 bis 1945 ist eine Aufgabe aller Generationen in unserem Land. Denn jede Generation muss sich bei uns mit dem Holocaust, seiner Vorgeschichte und seinen Folgen auseinandersetzen.
 Warum brauchen wir eine solche Erinnerungskultur? Der spanische Philosoph, Schriftsteller und Literaturkritiker George Santayana hat dazu einen eindrücklichen Satz gesagt: „Wer sich nicht der Vergangenheit erinnert, ist dazu verurteilt, sie zu wiederholen.“ Wir müssen die Erinnerung an die Jahre 1933 bis 1945 in Deutschland in jeder Generation wachhalten, damit wir nicht dazu verurteilt sind, solche Zeiten in unserem Land noch einmal zu erleben.

Wir stehen heute im Jahr 2024 mehr denn je vor dieser Aufgabe. Wer im Augenblick nur hinsieht, nimmt wahr: In Deutschland entwickelt sich die politische Landschaft alarmierend. Rechte und rechtsextreme Ansichten bekommen öffentlichen Rückhalt. Rassismus, Antisemitismus und andere Formen gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit nehmen zu. Für Menschenrechte einzustehen, wird in Frage gestellt. Geflüchtete werden massiv entrechtet, sie und Menschen, die sie unterstützen, werden zunehmend kriminalisiert. Unser gesellschaftliches Zusammenleben, die Vielfalt und Fairness:
Ja, unsere Demokratie ist in Gefahr!
Doch wir sind entschlossen, laut und aktiv zu werden: für eine offene, demokratische, plurale und solidarische Gesellschaft, gemeinsam gegen den Rechtsruck in Deutschland und Europa! Schweigen ist keine Option! Der evangelische Pfarrer Martin Niemöller hat zu seinem eigenen Verhalten in den Jahren 1933-1945 gleich nach dem Krieg selbstkritisch festgehalten: „Als die Nazis die Kommunisten holten, habe ich geschwiegen; ich war ja kein Kommunist. Als sie die Gewerkschaftler holten, habe ich geschwiegen, ich war ja kein Gewerkschaftler. Als sie die Juden holten, habe ich geschwiegen, ich war ja kein Jude. Als sie mich holten, gab es keinen mehr, der protestieren konnte.“

Von 1937 bis 1945 saß Niemöller im KZ. Aus eigener bitterer Erfahrung redet er uns ins Gewissen: Die Zeichen der Zeit erkennen und dann Schweigen ist verhängnisvoll! Wenn Menschen diffamiert werden und Menschenrechte nichts mehr gelten, wenn immer offener die Freiheit des Denkens und Glaubens infrage gestellt wird, wenn immer offener die Forderung laut wird, das Recht zu beugen und zum Instrument der eigenen menschenverachtenden Überzeugung zu machen, dann ist es höchste Zeit, Haltung zu zeigen und den Mund aufzumachen. „Mach dich stark und misch dich ein! Sage nein!“
Heute am Internationalen Holocaust-Gedenktag wird an vielen Orten wieder der Weckruf des „Nie wieder!“ zu hören sein. Doch es ist alarmierend, dass dieses „Nie wieder!“ in den letzten Jahren viel von seiner Kraft verloren hat. Inzwischen finden es durchschnittlich an die 20 Prozent der deutschen Wählerinnen und Wähler doch akzeptabel, für ein paar wage Heilsversprechen auch ein bisschen Rechtsextremismus in Kauf zu nehmen. Jüngst trafen sich ja bekanntermaßen Rechtsextreme, Identitäre, Werteunierte und AfD-Führer zu einem sogenannten „Geheimtreffen“, bei dem Gemeinsamkeiten ausgelotet wurden und politische Ziele für die Zeit nach der angepeilten Machtübernahme formuliert wurden. Die AfD-Führerin Weidel rechnet ja spätestens in 5 Jahren, also 2029, damit.

 Es ist heute 5 vor 1933. Wie wäre es gewesen, wenn 5 Jahre vor der nationalsozialistischen Machtergreifung im Jahr 1933 in Deutschland, also 1928, nicht eine Appeasement-Haltung, also eine Haltung der Beschwichtigung gegenüber dem Nationalsozialismus und seinen Positionen geherrscht hätte, sondern demokratische Parteien eine klare und eindeutige Gegenposition formuliert und Widerstand geleistet hätten? Und eben nicht aus Bequemlichkeit und falscher Furcht geschwiegen hätten?

Ist im Jahr 2024 vielleicht 5 Jahre vor 2029? Wir wissen nicht, was in fünf Jahren sein wird, wieviel Zeit wir jetzt überhaupt noch haben. Aber wir müssen heute das Unsere dazu tun, dass sich die verhängnisvolle deutsche Geschichte aus den Jahren des Nationalsozialismus nicht wiederholt.
Unsere Aufgabe im Jahr 2024 ist es, nicht nachzulassen und uns laut vernehmbar für den Erhalt unserer freiheitlich demokratischen Grundordnung stark zu machen. Es wäre fatal, den öffentlichen Raum auf den Straßen und in den sozialen Netzwerken den Verächtern unserer Demokratie und des Rechtsstaates zu überlassen. Wir sollten uns eindeutig und unmissverständlich mit Menschen solidarisieren, die angefeindet und angegriffen werden. Das ist unsere demokratische Bürgerpflicht, die wir unserem Land schuldig sind. Auch abseits von Demonstrationen ist dort jede und jeder von uns gefragt, sich für die Demokratie nützlich zu machen. In der Kantine, bei der Party, auf dem Fußballplatz, am Arbeitsplatz, in der Schule: Wo immer Relativierungen und Rechtfertigungen für rechtsextreme und demokratiefeindliche Ideen fallen, kann man aufstehen und sagen: Ich sehe das nicht so. Ich möchte in einer demokratischen, freien und solidarischen Gesellschaft leben. Und deshalb sollten wir bei Wahlen auch nur solche Parteien wählen, die den demokratischen Grundkonsens in unserem Land unmissverständlich teilen und nicht aushöhlen wollen.

Zum Schluss noch einmal: Schweigen ist keine Option. Vielmehr gilt: Wir werden diese Demokratie schützen. Wir wollen, wir dürfen und wir werden nicht schweigen. Damit wir nicht dazu verdammt sind, die Vergangenheit zu wiederholen. Darum geht es. Diesmal lassen wir uns nicht blenden und beschwichtigen: Wir stehen entschieden auf für Demokratie und engagieren uns unmissverständlich und ungeteilt für den Respekt vor der Würde aller Menschen.

Ich danke Ihnen!

Volker Walle, Brakel
Pfarrer der Evangelischen Christus-Kirchengemeinde Emmer-Nethe

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